Donnerstag 06.08.2020
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Kulturhof Lübbenau Güterbahnhofstraße 60Lübbenau/Spreewald03222

Livestream der Vernissage zur Ausstellung „Drahtseilakt und Sisaltasche“ aus der Rathaus-Galerie

Seiler-Geschichten aus Lübbenaus Reeperbahn und aller Welt.

Seile, Fäden und Litzen ziehen sich durch die gesamte Geschichte der Menschheit. Die ältesten Funde sind auf bis 10.000 vor unserer Zeitrechnung zu datieren. Auch für unsere Region deuten Schnurkeramiken aus dem abgebaggerten Ort Tornow (Kittlitz) auf Seilertätigkeiten um 3.000 Jahre v.Chr. hin.

In Lübbenau wurden seit alters her Fäden, Stricke und Seile von der Landwirtschaft, Fischerei und für Bauvorhaben, wie dem des Schlosses oder des Kirchturms benötigt. So spielte für die Lübbenauer Leineweberei bereits im 16. Jahrhundert der Flachsanbau zur Leinöl- und Fasergewinnung eine große Rolle. Kein Zufall ist es vmtl. daher auch, dass die ältesten erhalten gebliebenen Belege des Seilergewerks in Lübbenau aus dem Jahre 1740 stammen, jener Blütezeit in der auch ein neues Kirchengebäude entstand. Doch bereits 1788 ist nur noch ein Seiler unter den 2.036 Einwohnern im Vergleich zu 190 Leinewebern nachweisbar. Mit dem Beginn des Industriezeitalters verlieren sich dann zunächst gänzlich die Spuren der Seilerei in Lübbenau.

Erst mit Beginn der Drahtseilerei durch Rainer Langmann (*1932), letzter Seilermeister der Kirchhainer Seilerdynastie, gelangt wieder etwas Licht ins Dunkel um die Lübbenauer Seilerhistorie. Zu lokalem Ruhm erreichte es Langmann mit seinem „Drahtseilakt“ zum Bau des Lübbenauer Kraftwerks. In Handarbeit fertigte er im Oktober 1963 mit Hilfskräften aus 60 mm-Drahtseil vier 14 m-Drahtseilschluppen mit beiderseits eingespleißten 80 cm-Ösen für das Kraftwerk Lübbenau. Sechs 100 MW-Turbinen hievten die Arbeiter damit in ihre Betriebsposition. Zahlreiche Experten gehen bis dato davon aus, dass es sich hierbei die stärksten jemals von Hand gespleißten Drahtseile handelte.

Ein zweites Kunststück gelingt dem Seilermeister in den 1965~1970er Jahren: 1.000 Einkaufsnetze knüpfte er damals in Handarbeit aus Sisal. Das Drehen der ca. 50 m langen Schnüre geschah an der Werkstatt in der Güterbahnhofsstraße, die so zur „Lübbenauer Reeperbahn“ wurde. Eine Anfrage des Centrum-Warenhauses Rostock nach 1.000 Sisaltaschen schlug Langmann in weiser Voraussicht aus. Das Knüpfen der Hartfaser Sisal hätte enorme Anstrengungen und die Gründung eines privaten Kleinbetriebes zu Zeiten des „gesellschaftlichen Eigentums an Produktionsmitteln“ erfordert.

Ausgehend von dieser Historie widmet sich die Ausstellung im Rathaus Lübbenau/ Spreewald in Gänze dem Seilerhandwerk. Mit einem Augenzwinkern zeigt die „Privatsammlung | Seilerei Langmann“ Geschichten und Geschichte von der „Lübbenauer Reeperbahn“ und verknüpft diese mit gegenwärtigen Herausforderungen. Auch Ausflüge zu entlegenen Winkeln der Welt, in denen Seilerei noch traditionell betrieben wird sowie Maschinen, Werkzeuge und Materialien der Handseilerei und des Drahtseilspleißens aus den vergangenen Jahrhunderten werden gezeigt.